Ich bin blind, na und……?
Diese Aufschrift ziert meinen Mund-Nasen-Schutz. Darunter befindet sich ein zwinkernder Smiley. Am Bahnhof, ich habe meinen Mund-Nasen-Schutz vorschriftsmäßig dort wo er hingehört und warte auf meinen Zug.
Immer wieder höre ich Schritte die auf mich zukommen, mich umrunden, vor mir stehenbleiben, offensichtlich meine Aufschrift lesen. Dann ganz entsetzt: „Das, was auf Ihrer Maske steht, finden sie das nicht ziemlich provokant?“ Ich: „Nein, warum? Das ist die Wahrheit.“ „Ja, aber das muss man doch nicht so provokant preisgeben.“
Der Zug kommt. Ich steige ein.
Meine Gedanken und Fragen überschlagen sich. Provoziere ich Menschen, weil ich ganz offen dazu stehe? Darf es in der Öffentlichkeit nicht sein, dass man auch mit Augenzwinkern auf seine Behinderung sieht?
Ist es provokant, wenn Menschen mit einer Behinderung zeigen, auch Sie sind ein aktiver Teil unserer bunten Gesellschaft? Haben wir uns vielleicht in den Köpfen anderer Menschen zu schämen für unser Anderssein? Sollten wir uns lieber arm, hilflos und um Mitleid bettelnd in ein Eckchen stellen?
Nein, nein, wir sind ein Teil dieser Gesellschaft, unser Leben ist manchmal mit riesigen Hürden gepflastert, bis das Kopfnavi den Weg zu den Öffis kennt, bis man die Angst überwindet, sich in den Verkehr zu stürzen, bis man gelernt hat, PC, Handy usw. mit Sprachausgabe versehen zu nützen. Alles das und noch einiges mehr kostet viel Kraft und Energie. Aber das Glücksgefühl, sich wieder ein Stück Normalität zurückerobert zu haben, ist unbeschreiblich. Und Leute, ich bin blind, na und? Lernen wir unsere Artenvielfalt zu leben und zu lieben.