
4. Advent 2021 - Liebe und Hoffnung
Josefine, eine betagte, jedoch im Herzen fröhliche und junggebliebene Mitsiebzigerin erzählte mir zum Thema Hoffnung und Liebe folgendes:
Es war nicht immer so, dass ich meine Umgebung und meine Mitmenschen nur ganz wage und verschwommen wahrgenommen habe. Mit ca. 4 Jahren, ich war eines von fünf Geschwistern und lebte im Mühlviertel auf einem Bauernhof, fiel meiner Mutter irgendwann einmal auf, dass ich ständig mit der Nase und den Fingern schaute, wie sie es zu sagen pflegte. Sie sprach mit unserem Hausarzt darüber. „Vielleicht braucht das Dirndl eine Brille“, war ihre Vermutung. Der Arzt meinte: „Da stimmt wirklich etwas nicht. Ich überweise Josefine ins KH nach Linz. In der Augenabteilung gibt es Spezialisten, die wissen, was zu tun ist.“ Nach einer Reihe aufregender Untersuchungen gab es dann leider die traurige Gewissheit: Meine Augenerkrankung, die ich offensichtlich schon von Geburt an hatte, ist nicht heilbar und wird sich immer weiter verschlechtern. Ich kann mich noch daran erinnern, wie meine Mutter geweint hat und, dass der Arzt sie in den Arm genommen hat und tröstend auf sie eingeredet hat. Die Schulzeit kam mit großen Schritten näher: „Das Dirndl muss in die Schule und was lernen. Vielleicht hat sie dann eine Chance auf Arbeit.“ Integration und Schulbesuch mit Kindern ohne Handikap war damals noch undenkbar. So machten sich meine Eltern mit mir auf den Weg nach Graz in die Blindenschule, ich weinte und konnte mir so gar nicht vorstellen, für eine längere Zeit in einem Internat zu sein und meine Geschwister und Eltern nicht bei mir zu haben.
Als wir ankamen wurden wir zwar sehr höflich begrüßt, aber meine Angst und mein Mistrauen brauchten schon einiges an Zeit, guten Zuredens und aufmunternder Worte, um mich so halbwegs geborgen zu fühlen. An manchen Wochenenden kamen mich meine Eltern und Geschwister besuchen – natürlich immer mit einem Sack voller Leckereien, die ich so sehr vermisste. Diese Jahre gingen mehr oder weniger schnell vorbei, jedoch wuchs in dieser Gemeinschaft die Gewissheit, dass ich nicht allein bin mit meiner Seheinschränkung. Viel Kinder sind das und auch wir können lernen und unser Leben selbstständig leben.
Nach meiner Schulzeit machte ich eine Lehre als Telefonistin und bekam auch einen sehr guten Job. Jetzt wohnte ich in der großen Stadt und organisierte mein Leben selbst, eine Hand voll guter Freunde waren immer bereit, mich zu ihren Unternehmungen mitzunehmen. Naja, und so wie jedes junge Mädel, hatte auch ich ab und an Schmetterlinge im Bauch. Mit dreiundzwanzig lernte ich meinen Ehemann Fritz kennen. Er war mein Auge, mein Seelentröster und mein Weggefährte. Auch hatte ich das Glück, zwei gesunden Kindern das Leben schenken zu dürfen. Heute weiß ich, dass man niemals die Hoffnung aufgeben darf und, dass Liebe das einzige ist, das im Leben wirklich zählt.
Dies ist eine wahre Begebenheit aus OÖ
Copyright Susanne